Hintergrund
Wer einmal Venedig besucht hat, hat mit Sicherheit gespürt, welche Magie diese einzigartige Lagunenstadt versprüht. Die Faszination von Venedig ist ungebrochen. Es ist eine Stadt zwischen Meer und Land, gebaut auf Schlamm, Sand und Schlick, mit einem Labyrinth von mittelalterlichen Gassen, romantischen Brücken und Tausenden von Kanälen. Die Stadt verzaubert Jeden und versprüht Liebe. Für atemberaubende, romantische Höhepunkte sorgen vor allem die Gondolieri in ihren schwarzen langgestreckten Booten. Venedig ohne Gondel ist wie der Tag ohne Nacht. Das Bild der Kanäle ist geprägt durch die Gondolieri. Mit großem Geschick jonglieren Sie ihre Gondel durch die schmalen Kanäle und die flachen Brücken. Stundenlang könnte man diesem Treiben zu sehen. Früher waren die Gondeln knallbunt und prachtvoll, was heute jedoch verboten ist. So sind alle Gondeln schwarz lackiert und jede sieht dennoch einzigartig aus.
Jede Gondel wird von einem Gondoliere beauftragt und in Venedig handgemacht gefertigt. Jede Gondel ist ein Unikat und wirklich Alles an dieser Gondel ist auf den Gondoliere (Größe, Gewicht, Stand- und Rudertechnik usw.) abgestimmt.
Eine Gondel kann man nicht so einfach erwerben. Sie wird durch den Gondoliere beauftragt und bleibt dann im Familienbesitz. Wenn sie kaputt geht, wird sie repariert oder entsorgt.
Die Lagunenstadt mit ihren venezianischen Gondeln haben auch uns (Daniel und Marina vom Ankerplatz Erfurt) verzaubert. Wir waren schon oft in dieser wunderschönen Stadt.
In unserer Aufbauphase 2019/2020 im Bereich unserer Saunen Venedig und Darling hat sich Daniel oft vorgestellt, wie cool es wäre, wenn als Deko vor unserem Bereich Venedig eine echte, venezianische Gondel den Ankerplatz Erfurt ziert. Das hätte was. Schon öfter hat er recherchiert, ob es irgendwo solche Gondeln zum Verkauf gibt. Die Suche war Langezeit vergebens. Dieses Jahr im Sommer 2023 ändert sich diese Situation schlagartig. Durch Zufall sah Daniel im Urlaubsstatus (Venedig Umgebung) seines besten Freundes Jens ein Bild, wo eine verlassene Wiese mit einer schwarzen Gondel zu sehen war. Intuitiv entstand durch dieses Foto eine Kontaktaufnahme zum Ruderverein vor Ort (Remiera Cavallino). Daniel wollte in Erfahrung bringen, ob diese Gondel einen Besitzer hat. Antonio vom Ruderverein teilte Daniel mit, dass diese Gondel zum Verein gehört, einen symbolischen Wert besitzt und leider unverkäuflich ist. ABER er hätte da etwas für Daniel. Der Verein hat vor vielen Jahren eine gebrauchte, venezianische Gondel gekauft und sich leider nicht darum gekümmert. Sie ist verwahrlost, hat aber für Restaurierungszwecke Potential. Antonio schickte uns ein Foto dieser alten Gondel. Wahrlich keine Schönheit, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Daniel stimmte sich mit Alex zu einem neuen Projekt im Ankerplatz Design ab. Das Projekt „Restauration venezianische Gondel“ für den Ankerplatz Erfurt war geboren.
Ankunft
Im Oktober 2023 machten wir uns mit einem sehr langen Autotrailer auf nach Cavallino/Venedig um unseren neuen Schatz abzuholen und zum Ankerplatz Erfurt zu überführen. Eine venezianische Gondel ist 10,85m lang, 1,42m breit und wiegt 400 – 500Kg. Dementsprechend lang waren unser Trailer und auch die Aufregung vor der Fahrt. Diese lief mit Übernachtung in Kärnten reibungslos.
In Cavallino hat uns Antonio auf dem Vereinsgelände in Empfang genommen. Wir bestaunten unsere neue Errungenschaft. Auch die „ältere“ Fero da Prora war vorhanden. Das ist das Metallblatt am Bug der Gondel.
Kleine Info zur Fero da Prora
Anfangs war die Funktion des fero da prora für den Gondoliere, um als Gegengewicht zu arbeiten und den platten Boden der Gondel im Wasser zu halten. Aber auch eine wichtige, symbolischen Bedeutung hat dieses Metallblatt. Sie zeigt alles, was Venedig ausmacht. Die typischen S-Form stellt die Kurven des Canal Grande (die Hauptwasserstraße von Venedig) dar oder die Löwenmähne, das Symbol der starken Serenissima (Beiname der Republik Venedig = Markuslöwen). Dann gibt es die sechs Finger, die für die sechs Sestrieri (Gemeinden) von Venedig stehen. Das sind San Marco, San Polo, Santa Croce, Castello, Dorsoduro und Cannaregio. Der Gegenfinger steht für die Giudecca (langgezogene Inselgruppe vor Venedig und gehört zum Stadtteil Dorsoduro) und wird risso di poppa genannt. Dann gibt es noch den oberen Teil, der den Hut des Dogen symbolisiert. Der Bogen über dem ersten Finger symbolisiert die Rialtobrücke. Manchmal gibt es zwischen den sechs Fingern des fero da prora drei kleine Friesen. Die stehen für Murano, Burano und Torcello (Inseln von Venedig).
Unsere Reise beinhaltete nicht nur die Abholung unserer venezianischen Gondel, sondern auch einen Abstecher in die magische Stadt mit ihren schwarzen, mysteriösen Gondeln und all dem versprühenden Charme…
Unser Besuch, diesmal nicht unter dem touristischen Blickwinkel, sondern mit dem Blickwinkel, hinter die Kulissen von Venedig zu schauen und um viel Wissen über den Bau und die Restauration einer venezianischen Gondel zu erfahren. Tief abtauchen in die alten Handwerkskünste von Venedig heißt es für uns…
Kleiner Insider Tipp
Normalerweise fahren wir immer nach Venedig und parken in Tronchetto (28€/Tag). Das ist die große Ankunfts- und Parkzone am Eingang von Venedig. Diesmal nicht. Wir haben unseren Trailer auf dem Vereinsgelände geparkt und sind mit dem Auto nur ein kleines Stück weiter, nach Punta Sabbioni. Dort haben wir unser Auto für 5€ am Tag geparkt und sind mit der Fähre nach Venedig. Die Fahrt dauert ca. 30min. Das Ganze war super entspannt, viel einfacher als über Tronchetto und zudem viel günstiger. Perfekt…das merken wir uns und ihr Euch, vielleicht auch😉!
In Venedig haben wir in Cannaregio eine Unterkunft gebucht. In Cannaregio wohnen viele Einheimische und es ist das bunte Handwerksviertel in Venedig. Abseits vom touristischen Hauptstrom hat dieses malerische Viertel eine Menge zu bieten, aber darum geht es in diesem Blog nicht, sondern um unsere Begegnungen im Handwerk rund um die venezianische, schwarze Gondel.
Als Erstes besuchten wir in der Calle dell’Oca die „Il Forcolaio Matto“. Die Werkstatt von Piero Dri. Er fertigt Ruder und Rudergabeln (Forcola) für die Gondeln und Ruderboote, welche durch Venedig schippern. Piero Dri ist Ende 30, in Venedig geboren und einer der letzten Forcolai in der Stadt. Er hat Astronomie in Padua studiert, doch seine Sehnsucht und Liebe zu Venedig, hat ihn wieder zurückgebracht. Er ging bei Meister Paolo Brandolisio in die Lehre. Euch sagt das nichts, doch Brandolisio war Lehrling bei Giuseppe Carli, dem unbestrittenen Maestro der Forcolai. Die Leidenschaft und diese handwerkliche Fähigkeit von Giuseppe und Paolo spürt man unumstritten, wenn man die Werkstatt von Piero betritt. All das ging in Piero über und er brennt für diese Handwerkskunst. Diese gibt es auch nur in Venedig und nirgends weiter auf der Welt. Fast alle Gondolieri kommen zu ihm. Piero hat uns viel über die Wichtigkeit der Forcola erzählt. Sie ist die Rudergabel der Gondeln, ein unverzichtbares Element zum Rudern. Sie ist ganz genau auf den Gondoliere abgestimmt. Maßgebend sind Größe, Gewicht und seine Bewegungsabläufe, bzw. Manövrierabläufe. Acht Anlenkpunkte besitzt eine Forcola und diese sind präzise abgestimmt auf ihren Gondolieri. Damit kann er praktisch jedes Manöver durchführen, wobei er nur die Stütze des Ruders bewegt. Wir könnten diesem Treiben in Venedig stundenlang zusehen. Die Forcole sind aus Walnuss- oder Kirschbaumholz gefertigt und in jedem Detail handgeschnitzt. Ein wahres Kultobjekt, finden wir. Eine sehr einfache Forcola geht ab 1000€ aufwärts los. Wir haben Piero von unserem Projekt erzählt und ihn gefragt, ob er für uns eine gebrauchte Rudergabel und ein Ruder hätte. Eigentlich bekommt man solche Sachen nur als Auftragsanfertigung, sagte uns Piero. ABER… er hatte etwas für uns. Er holte 2 Schätze hervor, eine gebrauchte Forcola und ein Ruder. Er übergab uns die Sachen für einen großartigen Kurs und er ist natürlich sehr gespannt, auf unser Ergebnis im Projekt „Gondelrestauration“. Wir waren aufgeregt und so glücklich über diese 2 besonderen Schätze.
Zum Gondelbau bzw. -restauration gehören verschiedene Handwerkskünste. Bootsbauern, Schmiede und Messing-Handwerker, Polsterer, Schneider und Hutmacher. All diese Handwerkstraditionen vereinen sich in einem Team beim Bau der magischen, schwarzen Gondel.
Eine Handwerkskunst wollten wir uns Näher anschauen. Die Gondeln von Venedig müssen irgendwo hergestellt werden. Erbaut werden diese in den Werften von Venedig. Früher gab es davon Dutzende, heute sind es nur noch 2 Werften in Venedig. Die Squero San Trovaso ist die bekannteste Gondelwerft, die noch existiert und die Lo Squero Domenico Tramontin & Figli. Beide sind mitten in Venedig, unweit der Accademia-Brücke im Stadteil Dorsoduro. Die Gondelwerft San Trovaso ist eins der ungewöhnlichsten und ältesten Gebäude für Venedig. Es besteht komplett aus Holz, wo in Venedig sonst alles aus Stein gebaut wurde. Sie liegt direkt an einem kleinen Kanal, gegenüber ist ein Cafe. Hier kann man einen Kaffee trinken und den Gondelbauern aus 10 Meter Entfernung bei der Arbeit zuschauen. Dies hat sich inzwischen zu einer richtigen Touristenattraktion entwickelt. Für die Gondelbauer selbst, ist das etwas nervig und wenn man mit Ihnen ins Gespräch kommen möchte, ist das gar nicht so einfach, denn sie sind sehr wortkarg und zurückhaltend.
Daniel und ich besuchten beiden Werften. Auch uns gegenüber waren die Gondelbauer sehr distanziert. Aber als wir Ihnen erzählten, was wir vorhatten, brach die Distanz nach und nach auf.
Wir glauben, sie waren einfach sehr verwundert, beschmunzelten unsere Idee, fanden es aber auch irgendwie mutig und imposant. Daher öffneten sie sich nach und nach und wir erhielten verschiedenste Einblicke in diese Handwerkskunst.
Die Gondeln werden aus acht verschiedenen Holzarten hergestellt – Eiche, Kirsche, Lärche, Linde, Nussbaum, Mahagoni, Ulme und Tanne. Das Ziel eines jeden Gondelbauers ist es, der Gondel Leichtigkeit, Langlebigkeit und Harmonie in einem Stück zu verleihen. Der größte Teil des Holzes wird von Hand mit den grundlegenden Werkzeugen der alten Kunst der Squerarioli (Bootsbauer) bearbeitet. Das sind Axt, Hobel, Säge und Hammer.
In der Squero San Trovaso lernten wir Lorenzo Della Toffola kennen. Seine Hände haben sehr viele Gondeln konstruiert. Er hat uns einen Blick hinter die Kulissen gestattet und einen Blick in seine alten Lager. Theoretisch lag dort Alles, was wir für unsere Restauration hätten gebrauchen können. Unsere Augen (vor allem Daniel seine) waren riesig und kamen aus dem Staunen nicht mehr raus. Verschiedenste Beschläge, Polstermöbel, angefertigte Schmuckelement wie Blätterranken, Wappen und verschiedenstes Schnitzwerk…so viele Schätze. Daniel erwähnte nebenbei, dass er Vieles davon für seine Restauration verwenden könne. Lorenzo überlegt kurz und dann bekamen wir den Deal unseres Lebens für unser Vorhaben. Alles, was wir brauchten, hat uns Lorenzo zusammengesucht und uns am Ende noch den Transport mit seinem Boot von der Werft zu unserem Parkplatz angeboten. Wir waren überwältigt, glücklich und unglaublich dankbar.
All unsere Errungenschaften sind nach einer langen, eindrucksvollen Reise sicher im Ankerplatz Erfurt angekommen. Außer eine Sache…unterwegs haben wir unser Metallblatt am Bug verloren. Es wurde auf der Rückreise über Nacht entwendet. Das war etwas traurig, aber wir haben unsere neuen Kontakte in Venedig darüber informiert und Lorenzo hat da was für uns😉. Im Januar reisen unsere Eltern nach Venedig und bringen uns von Lorenzo ein Metallblatt mit. Alle wollen mit uns in Kontakt bleiben, wir dürfen sie bei Fragen rund um die Restauration kontaktieren und sie sind mit uns aufs Endergebnis gespannt. DAS SIND WIR AUCH. In Teil 2 erfahrt Ihr Alles über unsere Restauration. Alex und Daniel planen Ende November den Restaurationsstart und wollen Ende Frühjahr das Projekt beenden.